Copwatch Frankfurt ist eine Gruppe die sich zusammengeschlossen hat, um der Normalität von Racial Profiling die konkrete Unterstützung für Betroffene, solidarische Aktivierung von Passant*innen und politische Öffentlichkeitsarbeit entgegen zu setzen. In ihrem Beitrag erklären sie, wieso wir der Polizei nicht vertrauen können und wollen.
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Text
Wieso vertrauen wir als Linke der Polizei nicht?
Als Linke kennen wir es sehr genau, wie die Polizei immer wieder eingesetzt wird, um Proteste für ein besseres, gerechteres Leben zu ersticken, wie sie vorgeht um besetzte Häuser zu räumen, die angesichts der absurden Wohnunspolitik aller letzten Regierungen immer wichtiger werden. Um Abschiebungen mit aller Härte, Rücksichtlosigkeit und Brutalität durchzusetzen. Wir alle haben nicht nur auf Bildern, sondern zumeist am eigenen Leibe erfahren was es bedeutet, wenn Polizei eingesetzt wird und wie sie agiert. Und wir verfolgen mit großer Sorge, dass diese Polizei immer mehr Rechte erhält. Um Menschen präventiv in Gewahrsam zu nehmen beispielsweise. So trafen diese erweiterten Befugnisse für die Polizei in Bayern als Erstes aktivistische Geflüchtete. Diese Aufrüstung der Polizei, die eben nicht nur rechtlich, sondern auch materiell stattfindet lässt nichts Gutes befürchten.
Auf der andern Seite erleben wir auch eine Polizei, die wenn es darum geht linke Räume zu schützen, gar nicht agiert. Die wenn es darum geht Nazis und Rechte in ihren Reihen zu entfernen unfähig, ja unwillig erscheint. Die, wenn es darum geht ihre vermeintliche Funktion, nämlich den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten, diese nicht wahrnimmt, oder in bestimmten Fällen nicht wahrnehmen zu wollen scheint.
Wir kennen die alltägliche Brutalität, wir kennen die Herablassung. Wir kennen sie so gut, dass wir schon genau wissen wann es kommt. Wir sind damit groß geworden bzw. wir wurden damit begrüßt am Flughafen, im Aufnahmelager an der Grenze. Wir wissen, dass diese Polizei uns nicht schützt, wir wissen, dass diese Polizei eine Gefahr darstellt für uns. Und wir wissen auch, dass das so gewollt ist. Es macht wenig Unterschied für uns ob Polizist*innen uns kontrollieren, weil sie Nazis sind, oder weil es einfach ihre Routine ist. Dass sie schneller brutal werden, weil wir nicht in ein weißes Raster passen. Dass wir sie nicht rufen können, wenn es brennt, weil wir sofort die Hauptverdächtigen sind. Dieser Polizei vertrauen wir nicht und sie arbeiten auch nicht daran, dass sich das ändert.
Aber wir arbeiten daran!
Wieso vertrauen wir als migrantisierte, rassifizierte, kanackische, queere, schwarze Personen dieser Polizei nicht?
Niemanden kann es inzwischen mehr wundern, dass kein Interesse Seitens der Polizei besteht Ermittlungen gegen Rechtsradikale, rassistische Täter*innen gewissenhaft voranzutreiben.
Traurigerweise ist es in Deutschland kaum verwunderlich, dass terroristische Anschläge auf Linke Zentren und Wohnprojekte von den Ermittlungsbehörden nicht verfolgt und sogar verharmlost werden. Trotz der belastenden Beweislage will die Polizei und die Staatsanwaltschaft auch bei Joachim S. keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschlagsserie und kein politisches Motiv sehen.
Während die Politik immer wieder versucht Linke Projekte und ihre Menschen zu diskreditieren, die Räume zu kriminalisieren und zu schließen, werden Polizeibeamt*innen in rechtsradikalen Chaträumen bestenfalls vom Dienst suspendiert, gestohlene Munition bei der Bundeswehr der Öffentlichkeit verschwiegen und Mordfälle in Polizeigewahrsam vertuscht, sowie die Verantwortlichen aktiv gedeckt.
Wieso kann es sein, dass es trotz aller Beweise und Indizien, sowie gegebenem politischem Motiv so lange dauerte bis S. festgenommen wurde? Wieso wurde das offensichtliche Motiv nicht eindeutig benannt?
Rechtsradikales Gedankengut nicht nur zu akzeptieren, sondern auch aktiv zu decken gehört, schaut man sich die Vergangenheit an, zur langen deutschen Tradition der Polizei. Es ist zum Alltag geworden, dass ständig neue Verstrickungen zwischen Rechtsradikalen Netzwerken, Täter*innen zur deutschen Polizei, Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten aufgedeckt werden.
Während Horst Seehofer nach einer mutmaßlich terroristisch motivierten Messerattacke in Dresden den Abschiebestopp von Gefährder*innen nach Syrien in Frage stellt, wird im Zuge von rechtem Terror in Hessen hingegen weiterhin von verwirrten Einzeltäter*innen gesprochen und nicht hinreichend und zielführend ermittelt und das trotz der spezifischen Geschichte Hessens als ein Hotspot rechten und rassistischen Terrors, immer wiederkehrender „Ermittlungspannen“, verschwundenen Akten und Verstrickungen und Verbindungen zu staatlichen Sicherheitsbehörden in Deutschland.
Hanau, Wächtersbach, Kassel, NSU, NSU 2.0, um nur ein paar Auszüge der vergangenen Jahre zu nennen.
Es gehört nicht Grundlos zum Alltag, dass Opfer rechtsextremer und rassistischer Gewalt sich nicht nur von der Polizei nicht geschützt, sondern sogar bedroht zu fühlen, Angst zu haben.
Auch nun wird wieder einmal Rechte Gewalt von staatlicher Seite ignoriert, nicht hinreichend in den Ermittlungen berücksichtigt und nicht strafrechtlich, oder insgesamt als solche benannt. Gleichzeitig werden so die Anschläge auf Linke Räume und Leben relativiert!
Betroffene wurden und werden von den staatlichen Ermittlungsbehörden im Stich gelassen!
Es stellt sich in Anbetracht der Erfahrungen aber auch die Frage: Was erwarten/ wollen wir von einem Staat, der in einem solchen Verhältnis zu rechtsextremen Personen und Strukturen steht und der selbst Rassismus institutionalisiert und systematisiert hat?
Wieso wird rechter Terror nicht als solcher benannt und ermittelt? Welchen Grund gibt es für die Leugnung rechtsradikalen Terrors? Welchen Grund kann es geben, eine unabhängige Beschwerdestelle zu verhindern?
Alleine durch das Leugnen rechtsradikaler Motive zeigt die Polizei als Institution ihre wahre Gesinnung.
Linke Räume sind Orte wichtiger politischer Arbeit. Das waren keine willkürlich ausgeführten Anschläge, es waren gezielte politisch motivierte Anschläge auf linke Strukturen und Menschen.
Die Anschläge auf diese Räume sind Anschläge auf uns alle!
Bei den Brandanschlägen wurde die Gefahr für Menschenleben vom Täter wissentlich in Kauf genommen und die Ermittlungsbehörden lassen die Betroffenen im Stich! Es findet keine hinreichende Aufklärung statt und dementsprechend kann es keinen ausreichenden Schutz geben!
Linke Zentren, linke Wohnprojekte, sowie andere Opfer rechtsextremen Terrors können nicht darauf vertrauen, dass die hessischen Ermittlungsbehörden alles tun, um die Taten aufzuklären und neue zu verhindern. Externe Stellen müssen die Sicherheitsbehörden kontrollieren.
Wir fordern deshalb:
Eine systematische Auseinandersetzung mit dem institutionellen und alltäglichen Rassismus in der Polizei, der Justiz und anderen staatlichen Behörden sowie die Einführung unabhängiger Untersuchungs- und Kontrollinstanzen.
Gleichzeitig bitten wir die Zivilbevölkerung gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Lasst uns aufeinander aufpassen und solidarisch miteinander sein!