Der Redebeitrag thematisiert das Zusammenwirken zwischen politischer Hetze und rechtem Terror. Rechte Gewalt und rechter Terror gehen immer einher mit der Stimmungsmache der Schreibtischtäter*innen.
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Text
Dass rechter Terror oft der gewalttätige Ausdruck politischer Stimmungen und Kampagnen ist, lässt sich seit Jahrzehnten erkennen. Am Anfang steht meist eine mediale und politische Hetze, dann fliegen die Brandsätze. Dies war beispielsweise Anfang der 90er Jahre hier in Deutschland so. Von Politik und Medien wurde die weitgehende Einschränkung des Asylrechts in Deutschland vorbereitet und begleitend dazu kam es zu rassistischen Pogrome und Anschlägen, bei denen Dutzende Menschen ermordet wurden.
Das Zusammenwirken zwischen politischer Hetze, Schreibtischtäter*innen und rechtem Terror ist auch immer wieder zu finden.
In den vergangenen Jahren waren Shisha-Bars zunehmend Thema in den Konferenzen der Inneren Sicherheit. Polizei, Politiker*innen und in ihrem Schlepptau diverse Medien stellten Shisha-Bars als Orte dar, wo sich angeblich Kriminelle mit migrantischem Hintergrund in einer heraufbeschworenen Parallelwelt abschotten würden. Der Täter in Hanau veröffentlichte ein Pamphlet voller Rassismus. Am
19. Februar diesen Jahres ermordete gezielt in und vor zwei Shisha-Bars neun Menschen.
In der Silvesternacht von 2015 auf 2016 kam es am Kölner Hauptbahnhof zu sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Es begann nun eine breite, zum größten Teil rassistisch geführte politische und mediale Debatte.
In dieser ging es jedoch weniger um die betroffenen Frauen, um die Demütigungen und die sexuelle Gewalt, die sie erlebt hatten. In der Hauptsache ging um die Verschränkung von Rassismus und Sexismus.
Diese Form des Rassismus, die Sexualisierung rassistischer Ressentiments, hat hier eine lange Tradition. Bereits in den naturwissenschaftlichen Debatten des 19. Jahrhunderts war dieser koloniale Rassismus Thema und setzt sich bis heute fort. In den Debatten um Köln findet sich genau die gleiche alte Figur, dieses rassistischen Bildes wieder. Seine Legitimation fand es auch in den bürgerlichen Debatten. Sexuelle Gewalt und patriarchale Strukturen wurden erneut als etwas Fremdes dargestellt und schnell mit einer extrem aufgeladenen Mobilmachung begonnen. Erschreckend oft wurde dazu aufgerufen, dass sogenannte »deutsche Männer« wieder lernen müssten, sich zu wehren und zu zeigen, wer hier der »Herr im Hause« ist.
Der Neonazi Stephan Ernst, der gestanden hat, den nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet zu haben, sagte nach seiner Verhaftung im Juni 2019 aus, dass jene Silvesternacht in Köln für ihn das Schlüsselereignis gewesen sei. Er und ein paar rechte Arbeitskollegen beschlossen daraufhin, wehrhafte Männer werden zu wollen und beschafften sich Waffen um gegen Geflüchtete vorgehen zu können.
Bei der Hausdurchsuchung bei Ernst nach dem Mord an Walter Lübcke fand die Polizei ein Messer. Diese Messer war die mutmaßliche Tatwaffe beim versuchten Mord an Ahmet I. Der aus dem Irak kommende damals 22-jährige Ahmet I. war vor der Geflüchtetenunterkunft in Lohfelden bei Kassel hinterrücks niedergestochen und lebensgefährlich verletzt worden. Die Tat geschah am 6. Januar 2016, fünf Tage nach der Silvesternacht in Köln, als die rassistisch geführte Debatte über junge Geflüchtete auf Hochtouren lief.
Auch bei der Serie der Brandstiftungen auf linke Projekte im Rhein-Main-Gebiet zwischen Herbst 2018 und Sommer 2019 ist zu erkennen, wie politische und mediale Stimmungsmache den Täter offensichtlich ermutigte und ihm die Ziele vorgab.
Die Brandanschläge fielen in eine Zeit, in der im Nachhall der Proteste gegen den Hamburger G20-Gipfel im Jahr 2017 linke Projekte öffentlich angefeindet wurden. Im Rhein-Main-Gebiet zogen CDU, FDP und AfD eine aggressive Kampagne gegen linke Räume und Zentren auf, die von der Tageszeitung Frankfurter Neue Presse flankiert wurde. Im Mittelpunkt dieser Kampagne standen unter anderem die Szenetreffpunkte Café Exzess und die besetzte Au in Frankfurt, auf die jeweils zwei Anschläge verübt wurden.
Bei der Frankfurter Neuen Presse profilierte sich der Autor Daniel Gräber als Scharfmacher gegen Projekte, die er für irgendwie links hält.
Er konstruierte dabei Verbindungen, die es faktisch gar nicht gibt. So spannte er in einem Artikel, der im Internet abrufbar ist, den Bogen vom Exzess zu einer Person, die in den 1990er einem Verein angehört hatte, der damals die Räume des Exzess nutze. Diese Frau ist heute eine Verantwortliche des feministischen Wohnprojekts Lila Luftschloss in Frankfurt.
Am 9. und 10. Dezember 2018 wurden zwei Brandanschläge auf das Exzess begangen, am 12. Dezember brannte es bei eben jenem feministischen Wohnprojekt im Frankfurter Nordend. Dabei geriet Isoliermaterial in Brand und 20 Personen, die sich im Haus befanden, mussten von der Feuerwehr evakuiert werden. Projekte des Lila Luftschloss wurde insgesamt dreimal Ziel von Brandanschlägen. Beim dritten Anschlag auf war wieder das Haus im Nordend betroffen und der Täter Joachim S. auf frischer Tat ertappt.
Die zeitliche Nähe der Anschläge auf das Exzess und auf das feministische Wohnprojekt ist sicher kein Zufall. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Täter ist durch solche Artikel inspirieren und von einem Ort zum anderen leiten ließ.
- Es muss Schluss sein mit dieser Hetze.
- Es muss Schluss sein mit dem rassistischen Geschwätz über angebliche Kriminalität und angebliche Parallelwelten von migrantisierten Menschen.
- Es muss Schluss sein mit der Hetze gegen Geflüchtete, die von rassistischen und sexistischen Motive geleitet ist.
- Und wir haben es satt, uns im wieder das Gezeter und die Hetze der Koalition von CDU, FDP und AfD und den ihnen wohlgesonnenen Medien gegen linke Projekte anhören zu müssen.
Wer die Orte sucht, die die Gesellschaft spalten und das soziale Miteinander in dieser Stadt gefährden, der wird an anderer Stelle schnell fündig. Die Hetze kommt aus dem Römer, aus den Polizeiwachen und den Behörden. Und es sind Armut, Verdrängung und unbezahlbare Mieten, die spalten, verdrängen & so das soziale Miteinander gefährden.
Es sind unter anderem die Wohnprojekte, die linken, die migrantischen und die feministischen Räume, in den wir gemeinsam versuchen Alternativen zum zu diesem Wahnsinn zu entwickeln und auszuprobieren.
Also: Finger weg von unseren Räumen und unseren Projekten! Wir sind solidarisch miteinander verbunden und werden sie gemeinsam verteidigen.
Diese Gelegenheit wollen wir, der Kreis der betroffenen Projekte, auch nutzen, uns bei allen solidarischen Menschen bedanken, die in dieser Zeit bei uns waren, die uns bei Nachtschichten unterstützt, uns beim Wiederaufbau geholfen, uns Mut gemacht haben und hier mit uns gemeinsam auf die Straße gehen.
Ein fettes Dankeschön an euch alle!