Der Redebeitrag theamtisiert die von Staatsanwaltschaft und Gericht betriebene Entpolitisierung der Anschlagsserie und die Weigerung, Indizien, die auf eine rechte Tatmotivation hindeuten, im Verfahren zu behandeln.
Der Brandstifter Joachim Scholz, gegen den gerade vor dem Landgericht das Urteil verlesen wird, ist wegen insgesamt 16 Brandanschlägen angeklagt, die er zwischen Dezember 2018 und Dezember 2019 begangen hat. Darunter zwei gezielte Anschläge auf linke Projekte.
Tatsächlich wird Scholz jedoch auch für eine Serie von insgesamt zwölf Brandanschlägen auf linke Projekte verantwortlich gemacht, die zwischen September 2018 und Juli 2019 im Rhein-Main-Gebiet stattfand. Darunter auch der folgenschwerste Anschlag am 14. September 2018 auf das Wohnprojekt Knotenpunkt in Schwalbach am Taunus. Dabei entstand ein Sachschaden von rund 200.000 Euro und mehrere Menschen verloren ihr gesamtes Hab und Gut.
Im Prozess, der gerade zu Ende geht, sind nur zwei Taten dieser Serie angeklagt und das auch nur aus dem Grund, weil Scholz bei beiden auf frischer Tat erwischt wurde. Nämlich beim Anschlag auf das autonome Kulturzentrum Metzgerstraße in Hanau im Dezember 2018 und auf das feministische Wohnprojekt Lila Luftschloss im Nordend im Juli 2019.
Wir unterstellen der Staatsanwaltschaft, dass sie auch diese beiden Anschläge sicher gerne ganz rausgelassen hätte, doch es ging nicht anders. Die Beweislage gegen den Täter war einfach zu erdrückend.
Von Anfang hatten wir den Eindruck, dass sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf verständigt hatten, bloß kein »politisches Fass« aufzumachen. Diesen Kurs hatte die Staatsanwaltschaft vorgegeben, indem sie das Verfahren nicht an eine Staatsschutz-Kammer gegeben hatte. Die Staatsanwältin hat dies konsequent durchgezogen und die Richterin hat sie dabei unterstützt.
Schon in der Anklageschrift findet sich kein Wort über die umfangreichen Ermittlungen des Staatsschutzes gegen Scholz, über dessen Nähe zur AfD und über seine Denunziationen gegenüber linken Projekten, die den Brandanschlägen vorausgingen. Dies im Prozess auszublenden, ist ein gravierendes Versäumnis von Richterin und Staatsanwältin. Im entsprechenden Paragraphen zu den Grundsätzen der Strafzumessung heißt es: »Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende, sowie auch die Gesinnung, die aus der Tat spricht (…)«.
Den ganzen Prozess über blieb unerwähnt, dass Scholz 2017 und 2018 zweimal an die Alternative für Deutschland spendete. So hat er im August 2018, etwa einen Monat vor dem Start der Brandanschlagsserie auf linke Projekte, knapp 1.700 Euro an die Partei überwiesen. In welchem Verhältnis Scholz darüber hinaus zur AfD oder einer anderen rechten Gruppe stand, interessierte weder die Polizei in ihren Ermittlungen noch Gericht und Staatsanwaltschaft.
Was auch nicht zur Sprache kam, waren die sichergestellten Chats und Bilddateien, die man beim Täter fand, die rassistisch und frauenverachtend waren und in den er sich verächtlich gegen linke Projekte und Lebensweisen äußerte.
Ein zweites Kunststück von Staatsanwaltschaft und Gericht bestand darin, dass man sechs Prozesstage verhandelte und die umfangreichen Ermittlungen des Staatsschutzes gegen den Täter dabei nicht einmal erwähnte. Tatsächlich hatten die Staatsschutzabteilungen in Hanau/Offenbach und Frankfurt monatelang gegen Scholz wegen der Serie von Brandanschlägen auf linke und alternative Projekte ermittelt. Zu dieser Serie zählten auch die Anschläge auf die Metzgerstraße und auf das Lila Luftschloss.
Über die Staatsschutzermittlungen gibt es umfangreiche Akten, die in der Verhandlung ignoriert wurden. Dabei hatte selbst die Verteidigung angeregt, die führende Ermittlerin des Staatsschutzes, die für den Anschlag in der Metzgerstraße zuständig war, zu laden. Die Richterin lehnte dies mit den Worten ab: »Ich weiß nicht, wie uns das hier weiterbringen sollte«.
Das muss man sich mal reinziehen: Es wird mit dem Anschlag auf die Metzgerstraße eine Tat verhandelt, für die die Staatsanwältin eine Einzelstrafe von drei Jahren Haft fordert und weder Richterin noch Staatsanwältin halten es für nötig die Beamtin des Staatsschutzes vorzuladen, die die Ermittlungen wegen diesem Anschlag geleitet hat.
Seit 2015 hatte Joachim Scholz Dutzende linke Projekte angezeigt oder wegen angeblicher Form- oder Rechnungsfehler bei den Behörden denunziert. Darunter waren auch mehrere Projekte, die Ziel der ersten Brandanschlagsserie waren, zum Beispiel das Lila Luftschloss. Diese Denunziationen hätten im Prozess natürlich behandelt werden müssen, schon alleine um die Taten, die Persönlichkeit, die Motivation und vor allem auch die Zielauswahl von Scholz zu verstehen. Doch sie wurden komplett verschwiegen, lediglich der Pflichtverteidiger von Scholz erwähnte sie in seinem Plädoyer.
Selbst wenn das Gericht zu dem Schluss gekommen wäre, dass aus den Taten von Scholz keine politische Gesinnung sprechen würde, so hätte es die Frage nach einer politischen Motivation mindestens in den Prozess einführen und untersuchen müssen. Doch das tat es nicht. Im Gegenteil. Wenn diese Frage aufkam, wurde sie umgehend von Richterin und Staatsanwältin verworfen.
Wo es uns endgültig die Sprache verschlagen hat, war, als die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer vortrug, das davon auszugehen sei, dass die Auswahl der Ziele in allen Fällen zufällig erfolgt sei. Dabei wollte sie ihre Ansicht untermauern, dass der Täter ja gar nicht gezielt gegen linke Projekte vorgegangen sei. Wie absurd diese Annahme ist, wollen wir an den Beispielen Metzgerstraße und Lila Luftschloss kurz beschreiben:
Am 21. Dezember 2018 ist Scholz mit Bekannten mit der Bahn nach Hanau zum Weihnachtsmarkt gefahren. Dort hat er sich von seinen Begleitern abgesetzt und ist zum Kneipenabend ins Autonome Kulturzentrum Metzgerstraße gegangen, wo er dann in einem Nebenraum Feuer legte. Das Haus in der Metzgerstraße befindet sich in einer unbelebten Seitenstraße weit abseits der Wege, die Scholz hätte gehen müssen, um zu einem der Hanauer Bahnhöfe zu gelangen, von denen er nach Hause hätte fahren können. Auch hat vor Ort kein Aushang und keine Reklame darauf hingewiesen, dass dort ein Kneipenabend stattfand. Scholz hat sich in der Metzgerstraße mit Anwesenden über die Serie von Brandanschlägen auf linke Projekte unterhalten und zeigte sich darüber gut informiert. Diese Gespräche hat die Staatsanwältin in sogar in ihrem Plädoyer erwähnt. Dennoch soll Scholz an diesem Abend nur ganz zufällig im Autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße gelandet sein?
Schon vor Juli 2019 war das feministische Wohnprojekt Lila Luftschloss im Frankfurter Nordend von Scholz bei den Behörden denunziert worden. Das beweist schon mal, dass er sich intensiv mit diesem Projekt beschäftigt hatte und dass er diesem feindselig gegenüberstand.
Am 26. Juli 2019 ist er dann zu später Stunde über das Nachbargrundstück zum Lila Luftschloss gegangen und hat einen Busch angezündet, der an die Fassade des Gebäudes reichte. Im Prozess sagte ein Polizist aus, dass Scholz den »optimalen Weg« über das Nachbargrundstück gekannt und genommen habe. Er nannte das Lila Luftschloss »links oder alternativ« und sprach davon, dass der Täter dieses gezielt habe »angreifen« wollen.
In ihrem Plädoyer ging die Staatsanwältin mit keinem Wort auf die Denunziation und auf die Aussage des Polizisten ein. Sie hat auch nicht erwähnt, dass dieses Wohnprojekt zuvor schon am 12. Dezember 2018 Ziel eines Brandanschlags gewesen war, bei dem die Feuerwehr die anwesenden Personen evakuieren musste. Nach der Ausführung der Staatsanwältin sei es reiner Zufall gewesen, dass Scholz bei dem Anschlag am 26. Juli 2019 ans Lila Luftschloss geriet. Dass versuchte sie dann damit zu erhärten, dass der Täter ja über das Nachbargrundstück gekommen sei. Damit hat sie dann sogar die Einschätzung der Polizei auf den Kopf gestellt.
Um es nochmal auf den Punkt zu bringen:
Der Brandstifter Joachim Scholz hatte einen Aktionsraum von Hanau bis in den Vordertaunus und den Hochtaunus. Hier leben knapp 1,5 Millionen Menschen in zehntausenden, wenn nicht über 100.000 Häusern. Und dann soll er ganz zufällig beim Brandstiften bei einem Projekt gelandet sei, was er kannte und zuvor schon denunziert hatte? Das jedenfalls will uns die Staatsanwältin weismachen. Und diesen hanebüchenen Unsinn muss sie auch erzählen, um ihr Konstrukt der angeblich unpolitischen Taten aufrecht zu erhalten.
Die Dreistigkeit und Überheblichkeit, mit der Landgericht und Staatsanwältin in diesem Prozess alle politischen Aspekte ausblendeten, macht uns Betroffene wütend und ratlos.
Diese Ausführungen der Staatsanwältin sind ja nicht nur hanebüchen, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, und man stellt sich die Frage was sich eine Staatsanwältin eigentlich an Unterlassungen, Verdrehungen und Unwahrheiten erlauben kann, ohne dafür auch mal Konsequenzen zu erfahren.
Seit Jahren häufen sich Anschläge und Drohungen auf Menschen und Projekte, die nicht in das Weltbild von Rechten passen. Bei vielen Taten gibt es auffallende Ähnlichkeiten im Profil der Täter, die vielfach beschrieben wurden: Männer, die sich für überlegen halten, die andere Meinungen und Lebensentwürfe nicht ertragen und immer im Recht sein wollen, die ein tristes Leben führen und überzeugt sind, dass alle anderen ihnen gegenüber bevorteilt werden. Und die sich in ihrem autoritären Denken und ihrem Zorn nie »nach oben« richten, sondern stets gegen die, von denen sie glauben, dass sie gefälligst unter ihnen zu stehen hätten. Dass Narzissmus, wahnhafte Vorstellungen und rechte politische Gesinnung schlüssig zusammenwirken, wird mittlerweile überzeugend erklärt. In Teilen der Frankfurter Justiz ist dies jedoch noch nicht angekommen. Dort klammert man sich offensichtlich noch immer an den Aspekt »Persönlichkeitsstörung«, um sich nicht mit rechter Gesinnung und Motivation beschäftigen zu müssen.
Die 4. Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt und die Staatsanwaltschaft hatten die Aufgabe und die Chance, diese Erkenntnisse im Prozess gegen einen rechten Brandstifter zu verwerten. Doch sie weigerten sich. Sie entschieden sich bislang für die klassische hessische Linie der Justiz bei rechten Straftaten, die seit vielen Jahren in der Kritik steht: Leugnen, was geleugnet werden kann; Entpolitisieren, was entpolitisiert werden kann; und alles möglichst geräuschlos und prozessökomisch abwickeln. Wir sind heute hier, weil wir das nicht akzeptieren und nicht unkommentiert geschehen lassen wollen.