Am Freitag den 8. Januar 2021 wurde das Urteil im Prozess gegen den Brandstifter Joachim Scholz* gesprochen. Im Gerichtsaal waren alle Besucher*innen- und Presseplätze belegt. Ein Kamerateam vom Hessischen Rundfunk filmte, als Scholz in den Saal geführt wurde. Ebenfalls waren Journalist*innen von der taz, der Frankfurter Rundschau und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung anwesend.
Mit einer Kundgebung dem Frankfurter Landgericht demonstrierten über 80 Personen gegen rechte Hetze, rechten Terror und die Entpolitisierung der Brandanschlagsserie.
Zu Beginn der Urteilsverkündung verlas die Richterin das Strafmaß: Joachim Scholz wurde für insgesamt zehn Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die verurteitten Straftaten reichen von Brandstiftung über Schwere Brandststiftung bis hin zur schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. In einigen Fällen blieb es beim Versuch, weil die Brände von selbst erloschen waren.
Im Anschluss folgte die Urteilsbegründung: Die Richterin resümierte die angeklagten Taten von Joachim Scholz, verdeutlichte die Auffassung des Gerichtes und begründete dann für jede Tat das angesetzte Strafmaß.Die strittigen Punkte in den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung am 28. Dezmeber 2020, beliefen sich neben dem angesetzten Strafmaß vor allem auf den Anschlag auf das Autonome Kulturzentrum Metzgerstraße in Hanau, bei dem Joachim Scholz im laufenden Kneipenbetrieb in einem Nebenraum Feuer gelegt hatte und anschließend von Besucher*innen der Polizei übergeben wurde.Hier folgte die Richterin den Ausführungen der Staatsanwaltschaft, hielt die Zeug*innen für glaubhaft und bezog sich auf den Sachverständigen, der schlüssig dargelegt habe, dass bei einem Brand der durch Spiritus entzündet wurde, dieser nicht unbedingt nachweisbar sein muss, da sich Spiritus schnell verflüchtige. Daher geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte das Feuer in der Metzgerstraße gelegt hat.Im Gegensatz zu allen anderen verurteilten Taten, bei denen Joachim Scholz als voll schuldfähig gilt, da er trotz Alkoholisierung klar in seinen kommunikativen und motorischen Fähigkeiten war, wird im Fall Metzgerstraße von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen, da nicht auszuschließen ist, dass er in diesem Fall durch den Alkoholkonsum in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war.
Richterin Schröder führte aus, dass für die Taten des Joachim Scholz kein Motiv feststellbar gewesen sei. Sechs Prozesstage hatten sich Gericht und Staatsanwaltschaft alle Mühe gegeben die Frage nach dem Motiv bei den Brandanschlägen in der Metzgerstraße und auf das Lila Luftschloss (für die Scholz nun verurteilt wurde) auszublenden. In unserer »Kritik an Landgericht und Staatsanwaltschaft« vom 3. Januar haben wir dies ausführlich beschrieben. Hier nur in Kürze: Die den Brandanschlägen vorausgegangen, aktenkundigen Denunziationen von Joachim Scholz gegen linke Projekte, unter andrem auch gegen das Lila Luftschloss, blieben ebenso unerwähnt wie seine Spenden an die AfD oder die Chatverläufe auf seinem sichergestellten Smartphone, in denen er sich unter anderem verächtlich gegenüber linken Projekten und Lebensweisen äußert.
Es ist schon ein besonders dreistes Stück, sechs lange Prozesstage alle Fakten zu unterschlagen, die Aufschluss auf das Motiv der Anschläge in der Metzgerstraße und auf das Lila Luftschloss hätten geben können, und dann im Urteil bedauernd festzustellen, dass »kein Motiv feststellbar« sei. Doch es war absehbar. Was hätte Richterin Schröder denn auch anderes sagen sollen, ohne sich und ihre Prozessführung zu desavouieren?
Die Richterin führte für jede Tat einzeln auf, welche Faktoren sich zu Gunsten oder zu Ungunsten für Joachim Scholz auswirken. Dabei wurde dem Angeklagten zu seinen Ungunsten ausgelegt, dass er Wiederholungstäter und bereits vorbestraft ist. Zu Gunsten von Joachim Scholz wird ihm ausgelegt, dass er bis auf die Taten in der Metzgerstraße und die an einer Holzscheune in Oberursel, alle Taten – wenn auch spät – gestanden hat, er sich teilweise für Taten entschuldigt und Sachschäden finanziell ausgeglichen hat, die verursachten Sachschäden in der Regel nicht hoch waren und alle Brände – ohne sein Zutun – schnell gelöscht werden konnten. Hinzu kommt eine durch Alkohol verursachte Enthemmung.
Ein schnelles Löschen von Bränden mag juristisch gesehen strafmildernd wirken, trotz dessen wirkt es absurd für Betroffene, dass ihr schnelles Eingreifen zu einer Strafmilderung für den Angeklagten führte.
Die höchste Einzelstrafe von 4 Jahren erhielt Joachim Scholz für einen Rolladenbrand in Oberursel, bei dem es auch zur gefährlichen Körperverletzung kam. Die Betroffene hat bis heute ihre Wohnung nicht mehr betreten und leidet psychisch sehr unter diesem traumatisierenden Erlebnis.
Ob das Gesamtstrafmaß angemessen ist, mögen Jurist*innen beurteilen. Wir als Betroffene sehen den Prozess als gescheitert an, da die für uns wichtigen Fragen nicht im Ansatz beantwortet wurden.
Wie zu erwarten war hat das Gericht seinen Kurs der Entpolitisierung der Anschläge des Joachim Scholz bis zum bitteren Ende durchgezogen. Ob Staatsanwältin Julia Jacobi von Wangelin tatsächlich wie angekündigt Revision einlegen wird darf getrost bezweifelt werden. Für die Frankfurter Justiz werden sich nun wohl die Akten zum Fall Joachim Scholz schließen.
Für uns ist der Fall Scholz jedoch noch längst nicht abgeschlossen: Wir werden diesen weiter aufarbeiten und uns in den nächsten Wochen und Monaten wieder zu Wort melden. Wir planen unter anderem dazu eine Publikation sowie eine Veranstaltung, auf der wir ein Fazit unserer Arbeit ziehen.
In Anbetracht der Dreistigkeit und Überheblichkeit mit die Richterin und die Staatsanwältin Akten unterschlugen und schlichtweg Unsinn erzählten um ihr Konstrukt der »unpolitischen Taten« aufrecht zu erhalten, bleiben wir wütend und ein Stück weit ratlos zurück.
Wir wissen jedoch auch, dass es viele Menschen gibt, die von rechten Straftaten und einer nachfolgenden Ignoranz der Gerichte und der Polizei betroffen sind. Als Zusammenschluss linker Wohnprojekte und Zentren hatten wir die Mittel und die Möglichkeit und zudem die Unterstützung vieler Menschen, dies offensiv öffentlich zu thematisieren und zu skandalisieren. Trotzdem war es uns nicht möglich, darauf hinzuwirken, dass Polizei und Justiz in Richtung eines rechten Motivs ernsthaft ermitteln. Vielen Menschen, die von rechten Übergriffen, von Gewalt und Terror betroffen sind, haben nicht die Möglichkeiten, die Unterstützung und daraus resutierenden die Kraft, sich Gehör zu verschaffen, so wie wir das Dank unzähliger Unterstützer*innen konnten. Deshalb möchten wir abschließend nochmals deutlich machen, wie wichtig für uns die Unterstützung antifaschistischer Gruppen und Genoss*innen war, wie hilfreich die Gespräche mit der Opferberatungsstelle response waren und vor allen wie viel Kraft es uns gegeben hat, dass unzählige Freund*innen und Genoss*innen uns während der Anschlagsserie beim Wiederaufbau mit tatkräftiger Unterstützung und Spenden supportet haben, sich bei Nachtwachen mit oder für uns die Nacht um die Ohren geschlagen haben oder einfach mit uns den langen Atem hatten, bis zu diesem Zeitpunkt am Ball zu bleiben. Diese Formen der Solidarität wünschen wir uns für alle Betroffenen rechter Gewalt und rechten Terrors!
Wir haben einmal mehr erfahren, dass auf Polizei und Justiz kein Verlass ist. Wir setzen auf innerlinke Solidarität, antifaschistische Organisierung und Selbstschutz. Halten wir alle gemeinsam die Augen offen, wenn wieder mal die Rede von »verwirrten Einzeltätern« ist. Alerta antifascista!
* Seit heute ist Joachim Scholz ein verurteilter mehrfacher Brandstifter, der nachweislich auf zwei linke und feministische Projekte sowie acht weitere Objekte Brandanschläge verübt hat. Sehr wahrscheinlich ist er auch für zehn weitere Anschläge auf Wohnprojekte und linke Zentren und weitere Taten in den Jahren 2018 und 2019 verantwortlich. Spätestens durch die Verurteilung ist Joachim Scholz zu einer Person öffentlichen Interesses geworden, weswegen wir ihn nun nicht mehr als »Joachim S.« anonymisieren.